Der MTZ-Förderpreis für Bioethik 2017

Die prämierte Arbeit untersucht die Auswirkungen der Interaktion intelligenter Medizinsysteme im geschlossenen Regelkreis mit Patienten auf die Autonomie, Handlungsfähigkeit und Verantwortlichkeit von Mensch und Maschine. Herr Dr.med.M.Phil. Philipp Kellmeyer diskutiert unter anderem die Verantwortlichkeitslücke, die in solchen Fällen entsteht, in denen Handlungsfähigkeit an ein intelligentes System, wie beispielsweise ein Hirnimplantat, übertragen wird und der Patient (oder Dritte) zu Schaden kommen.

 

Die MTZ®stiftung hat am 18.10.2017 den MTZ®-Förderpreis für Bioethik 2017 an Herrn Dr.med. M.Phil. Philipp Kellmeyer
als Anerkennung für eine herausragende Freiburger wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Bioethik an der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg vergeben.

Das Preisgeld i.H.v. 2.500 € soll es dem Preisträger u. a. ermöglichen, seine Forschungsarbeiten durch Aufbau- und Ergänzungsstudien sowie Praktika im Ausland zu fördern.

Markenzeichen der MTZstiftung ist die Förderung der jungen wissenschaftlichen Exzellenz in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Berlin. Ein MTZ-Award ist mittlerweile zum Markenzeichen für den ersten bedeutenden wissenschaftlichen Preis für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler der absoluten Weltklasse geworden.
Im Rahmen des demographischen Wandels ist es der MTZstiftung ein besonderes Anliegen aufzuzeigen, dass medizinische Forschung einer neuen Dimension nur dann erfolgreich sein kann, wenn diese auch in einer älter werdenden Bevölkerung eine breite Akzeptanz findet. Nur die bewusste Verknüpfung von medizinischer Grundlagenforschung (vor dem Hintergrund der Hightech -Strategie der Bundesregierung) mit Fragestellungen der Bioethik wird den Ansprüchen eines lebenswerten Altern in Würde gerecht und wird in eine bessere Zukunft führen, wo für die MTZstiftung steht.
Zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg stiftete die MTZstiftung den MTZ-Förderpreis für Bioethik. Er wurde im Jahre 2007 von der Stabsstelle Ehrungen und Preise der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg in das Ensemble der „Freiburger Nachwuchs-Förderpreise“ aufgenommen. Der Preis wird jährlich für eine herausragende Freiburger wissenschaftliche Arbeit oder Dissertation auf dem Gebiet der Bioethik vergeben. Es ist der erste Preis, der in der mehr als 550jährigen Geschichte der Universität auf diesem Gebiet verliehen wird.
Der MTZ-Förderpreis für Bioethik wird dieses Jahr im Oktober bei der Eröffnung des Akademischen Jahres 2017/2018 auf der Grundlage des erweiterten Vertrages verliehen. Vorschlagsrecht für die Kandidatinnen und Kandidaten haben hauptamtliche Professorinnen und Professoren aus den Fakultäten Biologie, Medizin, Philosophie, Rechtswissenschaft und Theologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

 

Titel der Arbeit:
“The Effect of Closed-Loop Medical Devices on the Autonomy and Accountability of Persons and Systems”

Durch die Entwicklung intelligenter Algorithmen zum maschinellen Lernen, gepaart mit der Fähigkeit zur Echtzeitanalyse großer Datenmengen („Big Data“), gewinnen Medizinsysteme zunehmend an analytischer Intelligenz und Entscheidungsfähigkeit. Mit der Fähigkeit zur adaptiven, intelligenten Steuerung, gerade bei Systemen mit geschlossenem Regelkreis („Closed-Loop“), entstehen jedoch potenzielle Lücken der Verantwortlichkeit in solchen Fällen, in denen die Entscheidung des Medizinsystems nicht vorhersehbar und/oder lückenlos nachvollziehbar ist.
Die Arbeit untersucht anhand intelligenter „closed-loop“ Neuroimplantate, wie Hirn-Computer-Schnittstellen („brain-computer interface, BCI) oder Elektroden zur tiefen Hirnstimulation, das Spannungsverhältnis zwischen dem Zugewinn und Handlungsfähigkeit für die Patienten (z.B. der Möglichkeit der autonomen Willensäußerung durch ein BCI was eine, zuvor verlorene, Kommunikationsfähigkeit wiederherstellt bei schwer Gelähmten) und der juristischen (und moralischen) Verantwortungslücke im Falle von Entscheidungen des Systems mit negativen Folgen.
Zur Vermeidung solcher negativen Auswirkungen intelligenter Medizinsysteme werden Vorschläge zu einer proaktiven Regulierung und Governance, zum Beispiel mithilfe eines international koordinierten Deliberationsprozesses, diskutiert.

Zur Person...
Dr. Kellmeyer ist Neurologe, klinischer Neurowissenschaftler und Neuroethiker und forscht seit 2015 im Translational Neurotechnology Lab (AG Ball) der Klinik für Neurochirurgie (Abteilung Prächirurgische Epilepsiediagnostik – Epilepsiezentrum) des Universitätsklinikums Freiburg.
Schwerpunkte seiner klinisch-neurowissenschaftlichen Arbeit ist zum einen die Entwicklung und Anwendung eines implantierbaren Elektrodensystems zur drahtlosen Übertragung von Gehirnaktivität. Dieses System soll es schwergelähmten Patienten mit stark eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit ermöglichen, mittels ihrer Gehirnaktivität ein Sprachprogramm oder ein robotisches System zu steuern. Zum anderen erforscht er mithilfe von bildgebenden Verfahren, insbesondere der Kernspintomographie (MRT), strukturelle und funktionelle Grundlagen von Sprache im Gehirn.
Seine neuroethische Arbeit beschäftigt sich unter anderem mit den ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten der Sammlung großer Datenmengen („Big Data“) im klinisch-neurowissenschaftlichen Kontext, sowie die Analyse dieser Daten mit fortgeschritten Methoden des maschinellen Lernens (z.B. „deep learning“ mit künstlichen neuronalen Netzen). Andere Themen in diesem Zusammenhang sind die Auswirkungen solcher intelligenter Medizinsysteme auf die Mensch-Maschine Interaktion und ethische Aspekte der klinischen und neurowissenschaftlichen Bildgebung.
Im Jahr 2018/19 wird der mit Kollegen aus der Rechtswissenschaft (Prof. Silja Vöneky), Robotik (Prof. Wolfram Burgard) und Philosophie (PD Dr. phil. Oliver Müller) am Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) einen Forschungsschwerpunkt zu normativen Aspekten von autonomen intelligenten Systemen leiten (https://www.frias.uni-freiburg.de/de/foerderprogramme/schwerpunkte/Mensch-Maschine).
Er ist affilierter Mitarbeiter und Lehrbeauftragter am Institut für Biomedizinische Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Zürich (http://www.ibme.uzh.ch/de/ethik/team/affiliiert/Philipp-Kellmeyer.html) bei Frau Prof. Dr. med. Dr. phil. Nikola Biller-Andorno.