Definition der Systembiologie

In vivo, in vitro, in silico - der Dreisatz der Systembiologie

In der Systembiologie geht es darum, die komplexen und dynamischen Abläufe einer Zelle oder eines Organs z.B. bei Umweltanpassung, Alterung oder Immunabwehr zu verstehen und abzubilden. Die große Fülle von Daten über einzelne Zellbestandteile bzw. -funktionen, die auf verschiedenen Ebenen der Lebensprozesse gewonnen wurde (Genom, Proteom, Metabolom) muss in einen sinnvollen Gesamtzusammenhang gebracht und im Computer nachgebildet werden, so dass Simulationen und Vorhersagen auch ohne Experimente im Labor möglich werden.

Für die Forschung in den Biowissenschaften ist auch heute noch ein weitgehend qualitativer und beschreibender, auf das molekulare Detail ausgerichteter Ansatz charakteristisch. Die Fülle von Daten über einzelne Zellbestandteile bzw. -funktionen, die auf verschiedenen Ebenen der Lebensprozesse gewonnen wurde (Genom, Proteom, Metabolom) muss nun in einen sinnvollen Gesamtzusammenhang gebracht werden. Es geht um die Frage, wie biologische Systeme mit einer riesigen Anzahl von Teilprozessen funktionieren können. Um diese Verflechtungen zu verstehen, kommt es nicht nur darauf an, Akteure wie Proteine und Enzyme in diesem Spiel zu identifizieren. Genauso wichtig ist es, ihre Wechselwirkungen untereinander zu erforschen.
Nur so können komplexe Systemeigenschaften wie die Regulation und Kontrolle biologischer Systeme, deren Steuerbarkeit und Systemverhalten beschrieben und verstanden werden. Die Modellierung von Lebensprozessen verspricht ein großes Anwendungspotenzial. So erhofft man sich besonders bei der Entwicklung neuer Arzneimittel entscheidende Fortschritte.

Ein interdisziplinärer Forschungsansatz, der die Biologie mit der Informatik, der Mathematik und den System- und Ingenieurwissenschaften zu einer "Systembiologie" verbindet, kann hier einen wesentlichen Beitrag leisten. Die Systembiologie zielt mit ihrer ganzheitlichen Sichtweise darauf ab, realitätsnahe Modelle von physiologischen Vorgängen in Zellen, Zellverbänden und ganzen Organismen zu entwickeln und somit ein ganzheitliches Verständnis der Lebensprozesse zu erlangen. Die enge Zusammenarbeit von experimentell arbeitenden Wissenschaftlern aus Biologie und Medizin mit am Computer modellierenden Theoretikern der Fachbereiche Mathematik, Physik und Ingenieurwissenschaften hat sich bereits bewährt.

Mit der Veröffentlichung der Richtlinien zum Förderschwerpunkt "Systeme des Lebens - Systembiologie" hatte Deutschland den Startschuss für ein neues interdisziplinäres Forschungsprogramm gegeben. Im Mittelpunkt steht das Modellsystem "Leber" mit Fokus auf die Hepatozytenzelle. Die Leber ist eine hochkomplizierte biochemische Fabrik, die täglich über 10.000 Substanzen auf-, um- oder abbaut und den Körper mit den lebenswichtigen Stoffen wie Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten versorgt. Die Leber ist als Modellsystem für systembiologische Untersuchungen sehr gut geeignet, da dieser Zelltyp vielfältige Aufgaben wahrnimmt und damit zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten für die Medizin, die Pharmaforschung und den Bereich Ernährung bietet.

Ziel ist eine virtuelle Zelle, mit der physiologische Prozesse in silico nachgestellt werden können, kurz die "gläserne Leberzelle".

Drei Jahre nach Beginn des BMBF-Förderschwerpunkts Systembiologie ist das Ziel, physiologische Prozesse nicht nur in vivo (im lebenden Organismus) und in vitro (im Reagenzglas), sondern auch in silico* (am Computer) nachzuvollziehen, näher gerückt.

* in silico: Bezeichnung nach dem chemischen Element Silizium, auf dessen Basis Computerchips hergestellt werden. In der Systembiologie meint der Ausdruck die Auswertung und grafische Darstellung von experimentell gewonnenen Informationen am Computer.

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