Weniger ist mehr – wie die Qualität induzierter pluripotenter Stammzellen dramatisch verbessert wird

 

Am 27. November 2020 wurde am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster als Anerkennung für ihre herausragenden wissenschaftlichen Leistungen der MTZ®-MPI-Award 2020 an Herrn Dr. rer. nat. Sergiy Velychko verliehen. Die Auszeichnung ist mit 2.500 € dotiert und soll dem Preisträger ermöglichen, seine Forschungsarbeiten durch Aufbau- und Ergänzungsstudien sowie Praktika im Ausland voran zu treiben.

Die erstmals von Shinya Yamanaka entwickelte iPS-Technologie ermöglicht die Reprogrammierung adulter Zellen wie zum Beispiel Hautfibroblasten in einen Zustand, der embryonalen Stammzellen (ES-Zellen) sehr ähnelt.
Obwohl iPS-Zellen von vielen als ultimativer Ersatz für ES-Zellen angesehen werden, zeigten mehrere Studien auf, dass diese von ihrem Entwicklungspotenzial dem „Goldstandard“ von ES-Zellen nicht wirklich entsprechen. Der Reprogrammierungsprozess, löst häufig Fehler aus, was dazu führt, dass viele der mit den Yamanaka-Faktoren reprogrammierten iPS-Zelllinien nicht in der Lage sind, eine normale Differenzierung zu unterstützen. Die genaue Herkunft oder die Ursache, die diese Änderungen bewirkt, war bislang nicht bekannt.
Sergiy Velychko, der neulich bei Hans Schöler promoviert hat, wollte die Rollen der verschiedenen Komponenten des Yamanaka-Cocktails (Oct4, Sox2, Klf4 und cMyc – OSKM) bei der Reprogrammierung zur Pluripotenz untersuchen und hat dazu viele Reprogrammierungsvektoren mit verschiedenen Kombinationen der Yamanaka-Faktoren erstellt.
Der junge Forscher wurde von den Ergebnissen überrascht: „Nicht nur konnte ausgerechnet der Vektor ohne Oct4, der eigentlich als negative Kontrolle dienen sollte, iPS-Zellen erzeugen.“
Andere Studien, die ein SKM-Konstrukt verwendeten, wiesen hingegen keine Reprogrammierung auf. „Wir fanden später heraus, dass die Diskrepanz zu früheren Studien durch die retroviralen Vektoren erklärt werden konnte, die Yamanaka und viele andere in ihren Experimenten verwendeten“, sagt Velychko. „Diese retroviralen Vektoren können sich selbst lahmlegen und dadurch den Reprogrammierungsprozess frühzeitig beenden.“
Dass die Reprogrammierung ohne Oct4 etwas weniger Kolonien mit einer gewissen Verzögerung erzeugten, ist dabei eher zweitrangig. Denn: „Im Vergleich zu den konventionellen OSKM-iPS-Zellen entstanden sogar bessere iPS-Zellen“, sagt Velychko.
Wenn dies in menschlichen Zellen genauso funktioniert, hat dies große Implikationen für eventuelle klinische Anwendungen von iPS-Zellen.

Sergiy Velychko (31) erhielt seinen BSc in Biologie an der Nationalen Universität Kiew (Ukraine) und seinen MSc in Molekularer Biotechnologie an der Technischen Universität Dresden. Sergiy Velychko begann seine Doktorarbeit im Labor von Professor Hans R. Schöler am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Oktober 2012 und verteidigte diese erfolgreich in November 2020. Zu Velychkos wissenschaftlichen Hauptinteressen gehören Stammzellen, Entwicklung und Reprogrammierung des Zellschicksals.

Sergiy Velychko hat bislang acht Publikationen als Doktorand, zwei sehr gute als Erstautor in Cell Stem Cell und Cell Reports. Zwei weitere Erstautor Publikationen sind in der Pipeline. Die Cell Stem Cell Publikation “Excluding Oct4 from Yamanaka Cocktail Unleashes the Developmental Potential of iPSCs.” wird im Stammzellfeld als Key Paper angesehen und war wochenlang die am meisten runtergeladene Publikation von Cell Stem Cell. Sie ist in einem Sonderheft der Top 10 Cell Stem Cell Publikationen 2019. Außerdem wurde es vom German Stem Cell Network zum Paper of the Year gewählt.
(Text: MPI Münster)