Molekulare Mechanismen, die Endothelzellen zu einem Teil einer Arterie oder einer Vene werden lassen

Am 15. November 2024 wurde am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster als Anerkennung u.a. für seine herausragenden wissenschaftliche Publikation in Nature der MTZ®-MPI-Award 2024 an Herrn Dr. rer. nat. Jonas Stewen verliehen. Die Auszeichnung ist mit 2.500 € dotiert und soll dem MTZ-Awardee ermöglichen, seine Forschungsarbeiten durch Aufbau- und Ergänzungsstudien sowie Praktika im Ausland voran zu treiben.

 

Von Tip-Zellen zu Arterien: Der Balanceakt von EphB4 und Ephrin-B2 bei der Gefäßentwicklung

Die Blutgefäße in unserem Körper machen während der Entwicklung bedeutende Veränderungen durch, um sicherzustellen, dass Sauerstoff und Nährstoffe jedes Gewebe erreichen. Dieser komplizierte Prozess beinhaltet die sorgfältige Bildung von Arterien und Venen, die unterschiedliche Netzwerke entwickeln müssen. Daher ist es für unsere Gesundheit von entscheidender Bedeutung zu verstehen, wie Zellen entscheiden, ob sie Teil einer Arterie oder einer Vene werden. In seiner Doktorarbeit untersuchte Jonas Stewen die molekularen Mechanismen, die diese Entscheidungen steuern, und konzentrierte sich dabei auf das Zusammenspiel zwischen zwei Schlüsselmolekülen: EphB4 und Ephrin-B2.

EphB4 ist ein Rezeptorprotein, das hauptsächlich in Venen vorkommt, während Ephrin-B2 ein Ligandenprotein ist, das in Arterien vorherrscht. Beide Moleküle können jedoch auch in sogenannten Tip-Zellen vorhanden sein – das sind Endothelzellen, die für die Ausdehnung des Gefäßsystems verantwortlich sind. In seiner Arbeit entdeckte Jonas Stewen, dass EphB4 und Ephrin-B2 sich gegenseitig regulieren: Wenn der Ephrin-B2-Spiegel hoch und der EphB4-Spiegel niedrig ist, wechseln die Tip-Zellen zur arteriellen Identität und entwickeln sich zu Arterien.

Darüber hinaus zeigte die Arbeit, dass die Interaktion zwischen EphB4 und Ephrin-B2 wichtige Signalwege beeinflusst, darunter die Notch- und VEGF-Signalwege, von denen bekannt ist, dass sie die Entwicklung von Arterien steuern. „Wenn Ephrin-B2 durch den Verlust von EphB4 hochreguliert wird, verstärkt dies die Aktivität dieser Signalwege und drängt die Zellen in Richtung einer arteriellen Identität“, sagt Stewen. Dieses Zusammenspiel beeinflusst nicht nur das Verhalten der Zellen, sondern prägt auch die Gesamtstruktur des Gefäßsystems.

Die Auswirkungen dieser Erkenntnisse sind tiefgreifend. Eine Störung des Gleichgewichts zwischen EphB4 und Ephrin-B2 kann zu anormalen Gefäßbildungen führen, wie z. B. zu arteriovenösen Kreuzungen, bei denen sich Arterien und Venen überschneiden. Dieser Zustand wird mit verschiedenen gesundheitlichen Problemen in Verbindung gebracht, darunter ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass ein besseres Verständnis dieser molekularen Mechanismen zu neuen Behandlungsmöglichkeiten für Gefäßfehlbildungen und damit verbundene Krankheiten führen könnte.

Jonas Stewen (30) studierte Biowissenschaften an der Universität Münster für seinen Bachelor-Abschluss und setzte sein Studium mit einem Master of Science in Molekularer Biomedizin an derselben Universität fort. Seit Februar 2019 promovierte er am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin unter der Betreuung von Prof. Ralf H. Adams und Dr. Mara E. Pitulescu. Im April 2024 verteidigte Stewen seine Doktorarbeit mit dem Titel „EphB4 and Ephrin-B2 orchestrate vascular development and homeostasis“ erfolgreich mit dem Prädikat summa cum laude.
Zusätzlich zu seiner Veröffentlichung in Nature Communications ist Jonas Stewen auch Co-Erstautor einer Studie über die Rolle von EphB4 bei dilatativer Kardiomyopathie, die in eLife veröffentlicht wurde. Nach diesem Erfolg begann er im Juni 2024 die nächste Phase seiner wissenschaftlichen Karriere als Wissenschaftler in der kardiovaskulären Abteilung der in vivo Pharmakologie bei CSL in Marburg.
(Text: MPI Münster 2024)