Komm mach MINT

 

An Mathematik und Biologie war Hannah Schmidt-Glenewinkel, 25, schon immer interessiert - da lag ein Studium der Biomathematik nahe. Von Informatik hatte sie hingegen gar keine Ahnung und machte erst im Rahmen eines Austauschjahres an einer amerikanischen Universität ihre ersten Programmiererfahrungen. Sie erkannte, dass sie damit ein Instrument gefunden hatte, um Ihre mathematischen Kenntnisse gezielt in den Biowissenschaften und der Medizin anwenden zu können. Hannah war Doktorandin im Bereich Theoretische Bioinformatik am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.

Hannah, wie sind Sie das erste Mal in Kontakt mit Informatik gekommen?

Mit Informatik hatte ich zum ersten Mal Kontakt als ich während eines Austauschjahres an einer amerikanischen Uni einen Programmierkurs gemacht habe. Das hat total Spaß gemacht und mir die Berührungsängste beim PC genommen.

Sie sind Doktorandin am Deutschen Krebsforschungszentrum. Was genau machen Sie dort?

Ich untersuche, auf welche Arten Signale innerhalb von Zellen weitergegeben werden. Zum Beispiel Wachstumssignale: Viele Zellen besitzen Rezeptoren in ihrer Außenmembran - und wenn dann im Blut ein Wachstumshormon vorbeischwimmt, bindet das an den Rezeptor. Jetzt weiß die Zelle, dass das Gehirn ihr befohlen hat zu wachsen, und sie schmeißt daraufhin ein anderes Genaktivierungsprogramm an als vorher. Wir fragen uns zum Beispiel: Wie hat die Natur es geschafft, dass diese Signalweiterleitung so zuverlässig funktioniert? Fast egal welche Temperatur herrscht, egal ob die Proteinkonzentrationen schwanken - die Zelle scheint (solange sie gesund ist) immer genau das Richtige zu tun. Zum Beispiel bei einer Verletzung: Die neu gebildete Haut hört genau dann auf zu wachsen, wenn die Wunde wieder geschlossen ist. Welche molekularen Mechanismen diesem perfekten Zusammenspiel zugrunde liegen, ist das Thema meiner Arbeit.
Um dies zu untersuchen, überlege ich zuerst theoretisch, wie ein solches Signalübertragungsnetzwerk aussehen könnte. Da geht man meistens ganz naiv vor: Molekül A bindet an Molekül B und bildet den Komplex AB. Dieser reagiert dann mit ... . Das erhaltene Netzwerk stelle ich dann mit Hilfe von Differentialgleichungen dar und schreibe es in ein Computerprogramm um, um das Verhalten dieses Netzwerks zu simulieren. Diese Ergebnisse kann ich dann mit experimentellen Daten vergleichen und somit kommen wir den wahren molekularen Hintergründen immer näher.

Und das ist für die Krebsforschung von Nutzen.

Genau. Denn bei vielen Krebsarten ist überhaupt nicht klar, was genau in den Zellen falsch läuft. Um dahinter zu kommen, versuchen Leute wie ich, die molekularen Mechanismen von Zellen aufzuklären. Aus den Ergebnissen dieser grundlegenden Arbeiten können dann neue Ansätze zur Vorbeugung, Diagnostik und Therapie entwickelt werden.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Ich komme morgens gegen 10 Uhr zur Arbeit. Dann lese ich meistens erst mal die neuesten Veröffentlichungen auf meinem Arbeitsgebiet. Je nachdem in welcher Forschungsphase ich mich gerade befinde, muss ich entweder programmieren, Ergebnisse auswerten, eine Präsentation vorbereiten, schreiben oder einfach nur nachdenken.

Hat es Vorteile als Informatikerin zu arbeiten?

Ja, denn man kann in verschiedenen Gebieten arbeiten. Informatikerinnen sind ja sehr vielseitig einsetzbar. In den Naturwissenschaften sowieso, aber auch in der Industrie und bei Banken. Computer sind aus dem Arbeitsleben nicht wegzudenken und Leute die damit umgehen können, sind gerne gesehen.
Und es ist eine ziemlich internationale Angelegenheit, man ist nicht an Deutschland gebunden, sondern kann immer, wenn man will, eine Zeit lang woanders hingehen. Wenn man geschickt verhandelt, kann man zudem recht viel Geld verdienen.

Gibt es auch Nachteile?

Als Frau muss man sich in einer männerorientierten Welt durchboxen. Da muss man manchmal ein dickes Fell haben. Das Beste ist, sich mit Kolleginnen anzufreunden und sich in Netzwerken zu organisieren.

Was ist in Ihrem Beruf besonders wichtig?
 
Man muss sich viel weiterbilden. Es werden zum Beispiel immer neue Programmiersprachen und Technologien entwickelt - da muss man Schritt halten. Da das aber allen anderen auch so geht, ist das schon okay. Außerdem macht es Spaß.
Man muss ziemlich diszipliniert und präzise arbeiten, zur Not auch mal über's Wochenende oder bis spät abends. Das ist aber nicht die Regel und es bleibt auf jeden Fall genug Zeit für Hobbys und Freizeit. Manchmal läuft ein Programm nicht oder man kriegt nicht die entscheidende Idee, wie man das Problem programmieren muss. Aber wenn man es dann gelöst hat, ist das ein tolles Gefühl.

Was würden Sie einer Schülerin sagen, die überlegt, Informatik zu studieren?

Bloß keine Berührungsängste. Als ich an die Uni kam, hatte ich gar keine Ahnung von Computern. Es gibt aber im Internet tolle Einstiegstutorials für Leute, die noch gar nicht programmieren können.
Je mehr du im Informatikbereich arbeitest, desto mehr verlierst du den Respekt vor Computern im Sinne von Zaubermaschinen, denen du mehr oder weniger ausgeliefert bist.
Computer sind einfach sehr leistungsstarke Hilfsmittel - und wenn du sie zu beherrschen weißt, kannst du tolle Sachen damit machen.

( © 2006 | Kompetenzzentrum Technik – Diversity – Chancengleichheit e.V.)


Das Interview ist im Jahre 2006 zum Wissenschaftsjahr 2006 Informatik mit der damaligen Doktorandin Frau Dipl.Biol. Hannah Schmidt-Glenewinkel geführt worden. Sie hat im Oktober 2008 promoviert.