Wie sich Endothelzellkontakte öffnen, um den Durchgang von Leukozyten zum Infektionsherd zu ermöglichen
Am 18. November 2022 wurde am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster als Anerkennung für ihre herausragenden wissenschaftlichen Leistungen der MTZ®-MPI-Award 2022 an Frau Dr. rer. nat. Nida Arif verliehen. Die Auszeichnung ist mit 2.500 € dotiert und soll dem MTZ-Awardee ermöglichen, seine Forschungsarbeiten durch Aufbau- und Ergänzungsstudien sowie Praktika im Ausland voran zu treiben.
Bei Entzündungen oder Gewebeverletzungen löst unser Körper eine Immunreaktion aus, um sich gegen fremde und schädliche Substanzen zu wehren. Diese Reaktion ermöglicht es Immunzellen wie Leukozyten, die Blutgefäßwand in einem Prozess namens Diapedese zu durchwandern und den Ort der Infektion zu erreichen. Intakte Blutgefäßwände werden von Endothelzellen ausgekleidet. VE-Cadherin ist eines der wichtigsten Adhäsionsmoleküle der endothelialen Zellkontakte, das die Integrität der endothelialen Barriere aufrechterhält. Die Diapedese von Leukozyten durch das Endothel zum Infektionsherd wird durch die Öffnung von VE-Cadherin-basierten Endothelzellkontakten erreicht. In ihrer Dissertation untersuchte Nida Arif die Signalwege, die in Endothelzellen nach der Adhäsion von Leukozyten in Gang gesetzt werden und die zur Öffnung der Zellkontakte führen und die Passage von Leukozyten ermöglichen. Ihre Arbeit gipfelte in einem wissenschaftlichen Artikel, der im Februar 2021 im EMBO Journal veröffentlicht wurde.
Einer der wichtigsten Schritte bei der Leukozytendiapedese ist die Destabilisierung von VE-Cadherin-basierten Zellkontakten. Das Labor von Dietmar Vestweber hat zuvor gezeigt, dass der Tyrosinrest Y731 in der zytoplasmatischen Domäne von VE-Cadherin die entscheidende Phosphorylierungsstelle ist, die die Leukozytendiapedese als Reaktion auf eine Entzündung steuert. In ruhenden Endothelzellen ist VE-Cadherin konstitutiv an Y731 phosphoryliert, und diese Stelle ist durch die Bindung von Cateninen an dieselbe Region von VE-Cadherin physisch geschützt. Unter entzündlichen Bedingungen führt das Andocken von Leukozyten an das Endothel zu einer Dephosphorylierung dieses Tyrosinrests, die von der Phosphatase SHP2 katalysiert wird und für die Transmigration von Leukozyten unerlässlich ist.
In ihrer aktuellen Arbeit deckte Nida Arif den zugrunde liegenden molekularen Mechanismus auf, der die Diapedese unterstützt. "Wir haben herausgefunden, dass PECAM-1, ein Adhäsionsmolekül, das nachweislich die Leukozytenauswanderung unterstützt, SHP2 an VE-Cadherin liefert und so eine direkte Dephosphorylierung von Y731 vermittelt und dadurch die anschließende Endozytose von VE-Cadherin fördert", sagt Nida. PECAM-1 vermittelt somit eine effiziente Leukozytendiapedese in vitro und in vivo, indem es über VE-Cadherin die Endothelbarriere destabilisiert.
"Meine Ergebnisse unterstützen ein Diapedesemodell, bei dem die Stimulation durch Leukozyten einen Kalziumeinstrom auslöst, der zu einer Aktomyosinkontraktion in Endothelzellen führt", erklärt Nida. "Diese endotheliale Kontraktion erzeugt Zugkräfte auf den VE-Cadherin-Catenin-Komplex, die die Konformation des Komplexes in einer Weise verändern könnten, die das Catenin-maskierte Y731 freilegt und damit für die SHP2-vermittelte Dephosphorylierung zugänglich macht."
Weitere Arbeiten zeigen, dass die Adhäsion von Leukozyten an das Endothel zur Dissoziation von p120-Catenin von VE-Cadherin führt, wodurch ein Endozytose-Signal freigelegt wird, das zur Aktivierung der endozytischen Maschinerie führt. Dadurch wird die Internalisierung von VE-Cadherin und die Öffnung von Endothelzellkontakten ausgelöst, um die Passage von Leukozyten zum Infektionsherd zu ermöglichen.
"Meine eingehende Analyse der molekularen Vorgänge in Endothelzellen während der Leukozytendiapedese hat die genauen Signalmechanismen entschlüsselt, die zur Öffnung der endothelialen Zellkontakte führen und die Wanderung von Leukozyten aus den Blutgefäßen in das umliegende Gewebe ermöglichen, um Infektionen zu bekämpfen", sagt Nida Arif abschließend.
Über Nida Arif
Nida Arif (31) schloss ihr Bachelor-Studium im Fachbereich Biotechnologie an der Integral University, Indien, als Beste ab. Dafür wurde sie mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Gleichzeitig erhielt sie eine Silbermedaille für den zweiten Gesamtrang unter den Absolventen der Universität. Dies war ein erstaunlicher Start, der sie motivierte, ihre Karriere im Bereich der Zellbiologie fortzusetzen.
Im zweiten Jahr ihres Masterstudiums am Indian Institute of Technology (IIT) Kharagpur erhielt sie ein DAAD-Stipendium und erhielt die Möglichkeit, im Rahmen des IIT-DAAD-Studentenaustauschprogramms ein Forschungsprojekt am Institut für Zellbiologie und Immunologie der Universität Stuttgart, Deutschland, durchzuführen. Nach dem siebenmonatigen Forschungsprojekt wurde sie mit einer Silbermedaille für den ersten Platz in ihrer Abteilung am IIT-Kharagpur ausgezeichnet.
Unmittelbar nach ihrem Masterabschluss wechselte sie an die CiM-IMPRS Graduate School in Münster, um dort zu promovieren. Sie schloss ihre Doktorarbeit unter der Betreuung von Prof. Dr. Dietmar Vestweber am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin ab, welche zu einer Veröffentlichung ihrer Arbeit im EMBO Journal führt.
(Text: MPI Münster 2022)